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Lebenzeichen aus: Chile, Bolivien und Peru

Im Februar diesen Jahres ist es soweit. Ich tausche Laptop, Bücher und den Platz in der Campusbibliothek gegen Backpack, Wanderschuhe und Abenteuer. Es geht nach Südamerika. In vier Wochen wollen bereist werden: Chile, Bolivien und Peru.


Nach 19 Stunden Flug und zweimal umsteigen, komme ich in Santiago de Chile an. In der Hauptstadt Chiles empfangen mich über 35 Grad inklusive meiner sehr guten Freundin Gina, die schon seit Januar in Südamerika unterwegs ist. Nach einem feuchtfröhlichen Wine Pong Abend (Beer Pong ist was für Anfänger), Mote con Huessillos (ein pappsüßes Getränk mit Weizengraupen und Pfirsichhälften) und einem Marsch hoch auf den Cerro San Cristobal geht es schon weiter nach Valparaiso. Die Streetart der Hafenstadt macht der in Berlin wahre Konkurrenz. Wir bleiben jedoch nie lange an einem Ort. Es zieht uns nach Norden, nach la Serena, einer traumhafte Stadt einschließlich Traumstrand. Hier schwimme ich zum ersten Mal im Pazifik und genieße „Becker“ Bier beim Sonnenuntergang.


Die letzte Station in Chile ist San Pedro de Atacama. Eine Stadt in der angeblich trockensten Wüste der Welt. Wir kommen an – und es regnet. Die Bewohner der Stadt ziehen lange Gesichter. Die letzte Woche hat es komplett durchgeregnet, Ausflüge waren nicht möglich. Die außergewöhnlich hohe Menge an Niederschlag ist eine direkte Auswirkung des Klimawandels. Aber wir haben Glück. Am nächsten Tag kommt die Sonne raus und das Thermometer steigt wieder auf über 30 Grad. Der Sonnenbrand ist vorprogrammiert, wir sind glücklich. In San Pedro verbringen wir drei wunderbare Tage inklusive Walking Tour, einem atemberaubenden Ausflug in das Moon Valley und einem Tag ausschließlich faul in der Sonne liegend. Wir müssen Energie tanken, denn es erwartet uns eine anstrengende, dreitägige Wüstentour. Umso mehr genießen wir den letzten Abend in San Pedro und der ist süffig. Wir kredenzen den berüchtigten Cocktail „Terremoto“ (auf Deutsch: Erdbeben), Pisco Sour, Piscola und Wein aus dem Tetrapack. Bis tief in die Nacht philosophieren wir mit den anderen Backpackern über Gott und die Welt. Erst im Nachhinein erfahre ich, dass man Alkohol am Abend vor der Tour tunlichst vermeiden sollte.


Landschaftlich gesehen ist die Tour ein Highlight, bis auf 5000 Höhenmeter bewegen wir uns und bestaunen die Wunder der Natur. Sozial gesehen ist sie eher ein Reinfall. Die angekündigten zwei deutschen Jungs, die in unserem Jeep sitzen sollten haben sich kurzfristig in eine chilenische Familie verwandelt. Keiner von ihnen ist der englischen Sprache mächtig genauso wie ich kein Wort Spanisch spreche. Zwischen uns kommt keine wirkliche Kommunikation zustande. Für mich als Kommunikationswissenschaftlerin ein Alptraum.


Während der Wüstentour überqueren wir die Grenze nach Bolivien. Mit dem Nachtbus geht es über Uyuni nach la Paz, eine Stadt von der wir bisher nur Schlechtes gehört hatten. Wider Erwarten verlieben wir uns beide in diesen Ort. Den Lärm, den Dreck und die Armut kann man beim besten Willen nicht ignorieren aber la Paz strahlt einen Charme aus, dem wir uns nicht entziehen können. Cholitas säumen mit ihren langen Zöpfen und zu kleinen Hüten die Straßen und verkaufen an Ständen Obst und Gemüse. Der Witches Market strahlt etwas Geheimnisvolles aus und hat Liebestränke und Potenzmittel im Angebot. Hinzu kommt das himmlische Essen im Mercado Lanzo und die typischen Pullover, von denen ich mir gleich zwei kaufe und in den Rucksack packe. Gina bewältigt mit dem Mountain Bike die Death Road nahe der Stadt, mich zieht es währendessen in die Museen der Stadt. Aus der ursprünglich nur einen geplanten Übernachtung wurden vier. Aber wir müssen weiter. Nächster Stopp: die Isla del Sol im Titicacasee.


Mit einer Vielzahl an anderen Backpackern schippern wir über den höchstgelegenen und beschiffbaren See der Welt zu der Nordseite der Sonneninsel. Uns erwartet der absolute Gegensatz zu la Paz. Keine Autos, keine richtigen Straßen geschweige denn Straßenbeleuchtung. Um uns herum nur Schweine, Esel und Lamas. Das Paradies auf Erden. Bei mir machen sich jedoch Anzeichen der Höhenkrankheit bemerkbar. Kopfschmerzen, Magenprobleme und plötzliche Übelkeit überkommen mich immer öfters. Kein Wunder, der Titicacasee liegt auf 3800 Meter über dem Meeresspiegel. Berlin befindet sich dagegen auf etwa 100 Höhenmetern. Wir schalten einen Gang runter und gegen den schmerzenden Magen hilft leider nur noch Antibiotikum. Nach zwei dennoch idyllischen Tagen auf der Isla del Sol geht es weiter nach Peru, Cusco. Cusco hat viel zu bieten. Wir verbringen alleine zwei Tage damit, die um die Stadt gelegenen Inkaruinen zu erkunden. Zu empfehlen ist außerdem ein Besuch im Mercado San Blas und im Mercado San Pedro in Kombination mit Fruchtsäften und Machu Picchu Sandwich. An einem Abend probieren Gina und ich sogar gegrilltes Meerschweinchen. Es ist leicht zäh, weist komischerweise eine fischige Note auf und ähnelt vom Aussehen doch stark einer Ratte. Gina verträgt die Delikatesse leider nicht so gut. Sie verbringt die Nacht über der Toilette. Ihr Appetit auf Fleisch hat sich für den Rest der Reise verabschiedet. Mir geht es nach dem Verzehr blendend.


Die Zeit verfliegt und uns steht noch ein letztes Highlight bevor: Machu Picchu. Über unser Hostel buchen wir die Hin-und Rückfahrt mit einem Minibus nach Hydroelectrica. Von dort aus wandern wir noch knapp 2,5 Stunden durch dschungelartige Gefilde bis nach Aguas Calientes, der Stadt am Fuße von Machu Picchu. Am nächsten Tag klingelt der Wecker um 4:30 und um kurz vor 7:00 Uhr stehen wir inmitten von Machu Picchu. Der Ruinenstadt schenken wir jedoch erst später unsere Aufmerksamkeit. Zuerst wollen wir den Huayna Picchu besteigen, den Berg hinter Machu Picchu. Eineinhalb Stunden brauchen wir bis zum Gipfel. Der Aufstieg ist zwar nicht besonders anstrengend jedoch muss man sich stark konzentrieren. Die Stufen sind sehr schmal und durch die Feuchtigkeit glitschig. Ein falscher Schritt und man fällt mehrere hundert Meter hinab in den Abgrund. Dennoch – der Aufstieg ist, auf bayrisch gesagt, ne Mordsgaudi und wir werden am Gipfel mit einer wunderbaren Aussicht auf die Ruinen der Inkastadt belohnt.


Am nächsten Tag wandern wir gut gelaunt zurück nach Hydroelectrica, wo uns unser Bus zurück nach Cusco bringen soll. Busse kommen und fahren wieder. Die Backpacker werden weniger, nur wir werden nicht aufgerufen. Wir werden nervös als einer der letzten Busse ohne uns losfahren will. Wir würden auf keiner Liste stehen sagt der Busfahrer und ist kurz davor uns in der Pampa zurückzulassen. Nur durch unsere Beharrlichkeit und das Gutzureden der anderen Passagiere können wir den Fahrer überreden uns trotzdem mitzunehmen. Jeder muss aber nochmal 50 Soles extra zahlen. Es bereits nach 23:00 Uhr als wir müde, stinkwütend und fest entschlossen jemanden den Kopf abzureißen im Hostel ankommen. Jedoch gibt es niemanden an dem wir unseren Unmut auslassen können – alle sind sturzbetrunken. Es ist Saint Patrick’s Day und im Hostel wird seit Stunden gefeiert. Gina und ich entscheiden uns für das im Moment einzig sinnvolle: mitfeiern, mittanzen und free Shots abgreifen. Wir haben seit zwei Tagen nicht geduscht und immer noch die durchschwitzten Klamotten von der Huayna Picchu Besteigung an. Es war die beste Party seit langem.


Am nächsten Tag bekommen wir vom Hostel das Geld erstattet und unsere Wut ist einem angemessenen Kater gewichen. Ab jetzt konzentrieren wir uns auf unser letztes Ziel der Reise: Lima. Aufgrund der starken Überschwemmungen in Peru bezweifeln wir, dass wir es mit dem Bus rechtzeitig nach Lima schaffen. Aber es läuft alles gut. Die einzige Auswirkung, die uns dann tatsächlich betrifft ist, dass es in Lima kein fließendes Wasser gibt. Das heißt: keine Dusche und keine Klospülung. Nach vier Wochen Backpacken hat sich mein spießiges Ich Gott sei Dank verabschiedet und ich kann den Zustand mit einem Schulterzucken abtun. Außerdem überwiegt nun doch wieder die Vorfreude auf Berlin. Am nächsten Tag geht es zurück nach Deutschland.


Schon nach einigen Tagen hatte mich die Alltagsroutine in Berlin wieder in ihrem Griff. Die Erinnerungen verschwinden bereits aber einige Dinge sind mit während der Reise bewusst geworden und bleiben mit hoffentlich noch lange im Gedächtnis. Man braucht so wenig um glücklich zu sein und konsumiert trotzdem viel zu viel. Das Wichtigste ist es im Endeffekt, sich mit Menschen zu umgeben, die einen glücklich machen und sich selbst bloß nicht zu ernst zu nehmen. Gut, dass die Chorproben wieder angefangen haben. Unität ist der perfekte Platz um diese Erkenntnis zu leben und zu zelebrieren.


Geschrieben von Lydia


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