Unser Wachmacher lebt schon eine ganze Weile in Berlin. Eigentlich stammt er von weiter aus dem Norden; genauer gesagt aus Rostock – Lichtenhagen, was für einen kleinen Jungen auch ein ganz schöner Ort sein kann. Noch an der Waterkant beglückte er die Massen mit Musik in der Schulband, nicht zu vergessen der legendäre Playback-Auftritt im Mau Club inklusive Baywatch-Outfit. Nach etwa 75 Kurzbesuchen in Paris (vor allem beruflich als Reiseleiter) hat er sich doch für Berlin und ein Studium an der Uni Potsdam entschieden. Heute geht er seinen Leidenschaften für Musik und Sport auch beruflich nach und steht als Herr Püschel hinter dem Pult. Zum Glück hat er darüber hinaus noch Zeit für uns.
Erzähl mal, wie kam es eigentlich dazu, dass du bei Unität angefangen hast?
Johannes: Ich habe mit Sven zusammen im DigiEnsemble Berlin gespielt. Da haben wir uns auch kennengelernt und gemerkt, dass wir ziemlich viele gleiche Sachen machen: wir fotografieren beide Hochzeiten, sind beide in der Chorszene ziemlich aktiv. Er kam dann mit dieser Idee von Unität auf und ich konnte erst nicht glauben, dass so viele Leute kommen. Ich erinnere mich noch an die erste Probe, da waren 200 Leute in der kleinen Cafeteria. Ich wollte noch mit Einzelstimmbildung anfangen und dann waren bei der ersten Probe so viele Leute da, dass wir mit Mikro das Warm-up machen mussten. Da ging dann diese Geschichte los. Ich bin wirklich froh, dass Sven auf diese geniale Idee gekommen ist und diese Chorlücke in der Unilandschaft gefunden hat.
Ist es eigentlich korrekt, wenn ich dich Stimmbildner nenne, oder sind Begriffe wie Vocal Coach oder Stimmtrainer näher dran? Machst du da einen Unterschied?
Johannes: Wahrscheinlich ist Vocal Coach der richtige Begriff. Ich schreibe sogar Voice Coach auf meine Karten, (lacht) aber wahrscheinlich ist das falsch. Den Unterschied in den Begriffen kenne ich nicht. Im Endeffekt kommt es mir auf die Methodik an. Was ich mache ist physiologisch fundiert und kommt aus dem Bereich Popgesang, nicht aus der klassischen Gesangsbildung. Ich komme sehr gut mit dem Ansatz der Complete Vocal Technique aus Kopenhagen klar.
[Die Complete Vocal Technique ist eine Gesangsmethode, die einerseits die Physiologie wissenschaftlich fundiert lehrt, andererseits auch Theaterpädagogik berücksichtigt. Somit kann sie für die Interpretation von Songs wertvolle Dienste leisten.]
Du bist ja hauptberuflich als Lehrer unterwegs. Wenn du das mit deiner Arbeit im Chor vergleichst, sticht da etwas besonders hervor?
Johannes: Wenn ich mit Unität arbeite bin ich meist der Anleitende. Das versuche ich aber in der Schule häufig aufzulösen, durch Partner- oder Gruppenarbeit. Bei Unität arbeite ich sehr frontal; Chor an sich ist eine der diktatorischsten Musikformen die es gibt. Du musst genau das singen was im Notentext steht, in dieser Art wie das der Leiter da vorne vorgibt, ob das nun der Stimmleiter ist oder sonst wer. Im Schulkontext versuche ich offener zu unterrichten. Es ist aber auch bei Unität teilweise aufgelöst, etwa wenn die Warm-ups paarweise gemacht werden, obwohl die Direktive von vorne kommt.
Der größte Unterschied ist, dass die Leute von Unität freiwillig kommen und die Schüler meistens gezwungen in der Schule sind. Und das ist leider der größte Unterschied. Deswegen macht Unität oftmals mehr Spaß, viel mehr Spaß.
Das wollte ich hören, sehr gut. Was hat dich überzeugt mit Unität zu arbeiten? Die Herausforderung eines großen Chores oder die Atmosphäre? Johannes mittendrin
Johannes: Klar das Zweite. Naja, entschieden habe ich das ja, bevor ich wusste wie viele Leute da kommen. Ich hatte ja mit 20 Leuten gerechnet. Was mich hält, ist vor allem die unglaubliche Euphorie. Es ist toll vorne stehen zu dürfen, das erfüllt mich, vor allem wenn ich gut vorbereitet bin und die positive Energie der Leute zurückstrahlt. Die Stimmung ist im Chor immer super. Die Leute machen jeden Schabernack mit und geben mir das Gefühl, dass sie auch mit mir Spaß haben. Viele haben manchmal vergessen, dass man auch Spaß haben kann wenn man wie wild herumhampelt. Das überträgt sich dann auf alle.
Gibt es ein Stück, das du unbedingt mit Unität machen möchtest?
Johannes: Ich hab kein Stück vor Augen, aber ich weiß welchen Sound ich viel öfter hören möchte. Ich möchte…(überlegt) etwas pathetisch anmutendes, aber nicht kitschig, das wäre schön, etwas im Neutral-Mode mit Air. Wenn zum Beispiel 200 Leute verhaucht leise singen, vier- bis sechs- oder achtstimmig. Das muss nicht schwer sein, das kann einfach sein. Aber diese Fülle, als ob ein ganzes Orchester einen Akkord lange hält. Es ist total krass da vorne zu stehen. Diese Klangdusche zu genießen, diese ganz langsamen, flächigen Töne. Ich denke immer an die Orchestralfassung von Run boy run von Woodkid. Diese als Vokalfassung mit Unität gesungen, wow!
Da gibt es zum Beispiel auch die vier letzten Takte von Viva la Vida; dieser Teil ganz leise und intensiv. Ich glaube auch an die Energie. Wenn die Leute wissen, warum sie das singen, ist das total berührend, da kriege ich Gänsehaut.
Ich habe sogar eine Frage zu deinem Gänsehaut-Moment bei Unität. Würdest du diesen bei Viva la Vida wählen?
Johannes: Da gab es mehrere und das war einer davon. Wahrscheinlich hätte ich als Erstes gesagt, den Moment als wir in der Probe zum ersten Mal die I see fire-Choreographie ausgearbeitet haben. Da waren alle sehr in der Szenerie drin. In der Probe hat es sich sehr authentisch angefühlt und im Video kommt es auch rüber, aber in echt war es noch viel berührender.
Du warst und bist ja musikalisch selbst aktiv. Woran arbeitest du gegenwärtig?
Johannes: Aktuell gibt es das Falsettofunker-Projekt, was ich mit meinen Freunden Vincent und Jan-Hendrik mache. Da probieren wir aus; es ist ja nicht so leicht, die Funkcover einfach rauszuhauen. Aber es macht sehr viel Spaß, das ist klar und dann gucken wir, wie es weitergehen kann.
Gibt es eine Frage, die ich dir unbedingt in einem Interview stellen muss? Wo es eine Antwort gibt, die du unbedingt loswerden möchtest? Johannes: (lacht) Das läuft dann unter: was ich noch sagen wollte. Ich kann sagen, auch wenn es vielleicht triefend klingt, dass ich mir nicht selten in meinem Schuljob mehr dieser Unitäts-Momente wünsche. Die tun gut und geben mir Zuversicht. Dieses Gefühl in den Gesichtern der Leute zu sehen gibt mir Kraft. Das mitzunehmen und womöglich in die Schule weiterzugeben und die positive Energie ins Alltagsleben mitzunehmen. Das helle Glück, dieses lichte, schöne, positive, das stets weiter zu verteilen wäre mein Wunsch. Danke Unitätler!
Interview geleitet von Carmen
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